Im Dialog

„Das Management von Kulturerbe besser verstehen“

Welchen Einfluss kann wissenschaftlicher Austausch auf die Erinnerungskultur eines Landes haben? Ein Dialog ­zwischen Dr. Britta Rudolff, Leiterin des internationalen Masterstudiengangs Heritage Conservation and Site ­Management, und Mohamed Amer aus Ägypten, einem ihrer ehemaligen Studenten.

Ausgabe 1 | 2022

Protokoll: Klaus Lüber

Britta Rudolff: Mohamed, wir haben uns vor acht Jahren zuletzt gesprochen. Aber ich habe aus der Ferne immer interessiert verfolgt, was du machst. Zum Beispiel hast du die Initiative HeritageForAll in Ägypten gegründet, die die gesellschaftliche Wahrnehmung für das Thema Erinnerungskultur schärfen soll. Das finde ich spannend.

Mohamed Amer: Ja, danke. Wobei ich mich im Augenblick auf meine Doktorarbeit konzentriere und kaum noch dazu komme, mich um die Initiative zu kümmern. Ich arbeite daran, dass aus der Initiative ein Verein oder eine Stiftung wird. Das Management von Kulturerbe besser zu verstehen und ein Stück weit zu professionalisieren, beschäftigt mich aber auch in meiner akademischen Arbeit.

Britta Rudolff: Ich finde ja, dass dabei der interkulturelle Austausch eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Das hat sich in den vergangenen 40 Jahren wirklich stark verändert. Ich meine zum Beispiel die Erkenntnis, dass ein Erinnerungsobjekt an sich wertlos ist, wenn man nicht den Wert und den Nutzen beachtet, den es für den ­Menschen hat.

Mohamed Amer: Da stimme ich zu. Wertorientierte Ansätze sind heute viel bedeutender geworden. Aus der Sicht einer zukünftigen Kulturerbeindustrie beobachten wir gerade eine Fokusverschiebung weg vom Begriff des Kulturerbes hin zu kultureller Identität. Dies trägt dazu bei, die negativen Auswirkungen von Globalisierung und Modernisierung auf kulturelles Wissen und Kulturerbegemeinschaften abzumildern und eine reibungslose Weitergabe an künftige Generationen zu gewährleisten.

Britta Rudolff: Was ich an Ägypten im Vergleich zu Deutschland spannend finde: Gerade weil es diese sehr alten Erinnerungsstätten gibt, werden Zeugnisse der islamischen Kultur, die für unser Verständnis hier auch sehr alt sind und etwa bis zurück ins 7. Jahrhundert datieren, gar nicht unbedingt als etwas Altes wahrgenommen. Sie sind vielmehr Teil der aktuellen ägyptischen Identität und damit des alltäglichen Lebens. Ich kann mich gut an meine Zeit als Dozentin an unserer Partneruniversität in Ägypten, der Helwan-Universität in Kairo, erinnern. Wir hatten das Konzept einer sogenannten „Flying Faculty“, das mit den Studierenden Fallstudien von Kulturstätten vor Ort durchführte. Was mir sofort vorgeschlagen wurde, waren natürlich altägyptische Kulturstätten in Gizeh. Aber das war mir zu weit vom Campus entfernt. Als ich fragte, was wir uns denn in der näheren Umgebung ansehen könnten, herrschte Ratlosigkeit. Bis ich Aquarium Grotto Garden entdeckt habe, einen Landschaftsgarten aus dem 19. Jahrhundert. Für die Studierenden war das sehr ungewohnt, sich damit als Erinnerungsort auseinander­zusetzen.

Mohamed Amer: Ich habe schon sehr von meiner Zeit an der BTU Cottbus-Senftenberg profitiert. Dort konnte ich Module absolvieren, die eine zusätzliche berufliche Qualifizierung ermöglichen. Genauso dankbar bin ich für die Lehreinheiten an der DAAD Kairo Akademie zu den Themen Soft Skills und akademisches Arbeiten. Gerade deshalb finde ich es so wichtig, den wissenschaftlichen Nachwuchs weiter zu fördern. Dabei könnte ich mir übrigens auch noch mehr Unterstützung aus Deutschland vorstellen.

Britta Rudolff: Das nehme ich gerne zur Kenntnis. Was ich aber auch eine sehr schöne Entwicklung finde: Es haben sich in vielen Ländern, auch in Ägypten, inzwischen aktive Alumni-Netzwerke formiert, die genau diese Professionalisierung vorantreiben, die für unser Fach wünschenswert ist. Da gebe ich dir vollkommen recht, Mohamed.

Dr. Britta Rudolff ist Professorin für Kulturerbemanagement an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und lehrt in den internationalen Masterprogrammen World ­Heritage Studies und Heritage Conservation and Site Management.

Mohamed Amer promoviert in Heritage Marketing and Sustainable Cultural Tourism an der Universität Rom III. Er ist Absolvent des vom DAAD geförderten Studiengangs Heritage Conservation and Site ­Management, der an der BTU in Zusammenarbeit mit der Helwan-Universität Kairo angeboten wird.