Im Gespräch

Städte krisensicher machen

Wie die Auswirkungen des Klimawandels auf Städte gemeistert werden können, dazu forscht die Meteorologin und DAAD-Alumna Dr. Lisa Schielicke an der Universität Bonn.

Ausgabe 2 | 2022

Interview: Matthias Vogel

Frau Schielicke, unerträgliche Hitze im Sommer, aber auch Starkregen und Überschwemmungen sind Zeichen immer extremerer Wetterphänomene, die fast überall auf der Welt zu beobachten sind. Was passiert hier gerade?

Schielicke: Die wissenschaftliche Community ist sich sicher, dass insbesondere Hitzeextreme Folgen des menschengemachten Klimawandels sind. Wir beobachten eine weltweite Erwärmung; die Mitteltemperatur steigt in allen Monaten an. Bei Extremen von 40 Grad im Schatten werden wir auch in Deutschland nicht darum herumkommen, beispielsweise Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Schulen, aber auch Wohngebäude zu klimatisieren, wie es zum Beispiel in den Südstaaten der USA längst normal ist. Wir müssen uns auf lange Dürren inklusive Waldbrandgefahr, aber auch auf intensivere Niederschlagsphasen einrichten.

Welche Ansätze, den Auswirkungen des Klimawandels gerade in Städten zu begegnen, verfolgen Sie in Ihrer Forschungsarbeit?

Schielicke: Ich kann mit meiner Forschung nur das Risiko abschätzen, was wann ungefähr eintreten könnte, wenn wir so weitermachen wie bisher. Mit der Berechnung von Partikelbahnen etwa lassen sich die Herkunft von Luftströmungen und die Prozesse, die solche Luftpakete während ihres Weges durchlaufen, abschätzen. So sehen wir beispielsweise, dass Hitzewellen unter anderem aus Luft bestehen, die langsam wandert, sich einige Tage in Bodennähe befindet und dort sehr stark erwärmen kann. Daraus lässt sich für die Stadtplanung ableiten: mehr Grün und mehr Stadtbäume, denn versiegelte Flächen speichern Wärme. Frischluftschneisen ermöglichen eine bessere Zirkulation und Abkühlung. Gebäudebau darf nicht in solchen Schneisen oder in bereits gefährdeten Gebieten erfolgen – man denke an die Ahrtalflut in Deutschland im Juli 2021. Städte müssen flutsicher gemacht und Regenrückhaltebecken errichtet werden. Voraussetzung ist, dass solche Rückschlüsse an den richtigen Stellen gehört werden. Da müssen wir sicherlich noch mehr tun, damit die Dringlichkeit auch auf politischer Ebene erkannt und eingeplant wird.

„Der Klimawandel ist ein globales Problem, das wir nur international lösen können.“

Sie haben mit einem Forschungsstipendium des DAAD für promovierte Nachwuchsforschende an der Texas Tech University in Lubbock in den USA an sogenannten Superzellen geforscht, an Gewitterwolken, die einen rotierenden Aufwind besitzen. Was können wir von solchen Zellen lernen?

Schielicke: Superzellen sind Gewitterzellen, die von „High-Impact-Wetter“ begleitet werden können, beispielsweise von Hagel, Starkregen, starken Windböen bis hin zu Tornados. Simulationen von Superzellen helfen uns dabei, besser zu verstehen, wie es zu diesen Ereignissen kommen kann, denn nicht jede Superzelle erzeugt einen Tornado. Das hilft schließlich dabei, das Risiko für das Eintreten solcher Ereignisse abzuschätzen.

Welche Bedeutung kommt internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit in Bezug auf dieses Thema zu?

Schielicke: Der Klimawandel ist ein globales Problem, das wir nur international lösen können. Wir erforschen hier in Bonn europäische Hitzewellen und kooperieren eng mit der FU Berlin und weiteren europäischen Hochschulen. Auch interdisziplinäre Zusammenarbeit ist extrem wichtig. Ich betrachte die Atmosphäre erst einmal allein als System, aber insbesondere bei Hitzewellen haben wir eine sehr starke Wechselwirkung mit dem Boden und der Bodenfeuchte. Ist der Boden sehr trocken, kann sich die darüberliegende Luftschicht viel stärker erwärmen, was zu noch extremeren Temperaturen führen kann. Hier haben wir einen direkten Anknüpfungspunkt zu den Agrar- und Forstwissenschaften. Wenn wir an starke Regenereignisse denken, ist dabei auch der Abfluss des Wassers zu bedenken. Das heißt, wir knüpfen an die Hydrologie an, aber auch an die Stadtplanung. Geht es um Hitzeschutz gerade an Gebäuden oder in Städten, sind wir schon im Bereich der Ingenieurwissenschaften. Energiesektor und Verkehr werden ebenfalls stark vom Wetter beeinflusst. Eigentlich fällt mir kein Lebensbereich ein, bei dem das Wetter nicht mit reinspielt. Wir brauchen den Austausch, um überhaupt zu erfahren, wer sich zu welchen Themen Gedanken macht und wo wir uns vernetzen könnten. —