Text: Gunda Achterhold
„Brasilien hat als Hochschulstandort viel zu bieten“
Die UN-Klimakonferenz COP30 findet 2025 in Brasilien statt. Wie die DAAD-Außenstelle Rio de Janeiro die weltweite Aufmerksamkeit für die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit in ihrer Arbeit nutzt.
Der Amazonas-Regenwald gilt als die „grüne Lunge“ der Erde, Brasilien ist das Land mit der größten Fläche an tropischem Regenwald weltweit. Doch der ist akut bedroht. Fast 25 Millionen Hektar wurden in den vergangenen 20 Jahren abgeholzt oder sind abgebrannt. Die Entwaldung der tropischen Regenwälder ist eines der drängendsten Themen Brasiliens – und der Welt.
In der Außenstelle des DAAD in Rio de Janeiro laufen die Vorbereitungen für die Klimakonferenz COP30 der Vereinten Nationen bereits auf Hochtouren, im November 2025 kommt die internationale Gemeinschaft in der brasilianischen Amazonasmetropole Belém zusammen, um über Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel zu beraten. „Alle Fragen rund um das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit beschäftigen uns hier generell sehr“, sagt Katharina Fourier, Leiterin der DAAD-Außenstelle und Direktorin des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH) in São Paulo. Im September 2024 trat sie ihr neues Amt in Brasilien an und will thematische Akzente in den Bereichen Bioökonomie, Nachhaltigkeit und Klimaforschung setzen. „Mit seiner einzigartigen Forschungsumgebung hat Brasilien als Hochschulstandort viel zu bieten“, so Fourier.
Einmalige Ökosysteme wie tropische Regenwälder, Trockensavannen und die Tiefebenen des Pantanals, eines der größten Binnenfeuchtgebiete der Welt, ziehen Forscherinnen und Forscher aus aller Welt nach Brasilien. Die Artenvielfalt ist hier so groß wie in keinem anderen Land. In den Bereichen Klima, Energiesicherheit, Biodiversität und Biotechnologie ist die brasilianische Forschung besonders stark – und der Wunsch nach Kooperationen mit deutschen Partnern ausgeprägt. „Es sind gerade die forschungsstarken Universitäten im Süden und Südosten des Landes, die bereits verstärkt mit deutschen und europäischen Hochschulen zusammenarbeiten“, sagt Fourier.
Speziell im umwelt- und agrarwissenschaftlichen Bereich holen Universitäten im Norden und Nordosten Brasiliens jedoch zunehmend auf. Ein Leuchtturmprojekt ist das Amazon Tall Tower Observatory (ATTO). Der mit 325 Metern höchste Messturm Südamerikas liegt mitten im Amazonas-Regenwald. Die international viel beachtete Forschungsstation wird gemeinsam von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und Brasilien betrieben. „Hier entsteht ein Umfeld, das für deutsche Hochschulen immer interessanter wird“, sagt Fourier. Die brasilianische Förderagentur für Hochschulbildung Coordenação de Aperfeiçoamento de Pessoal de Nível Superior (CAPES) legt 2026 mit „CAPES Global“ ein Programm auf, das Netzwerke mit internationaler Ausrichtung innerhalb Brasiliens stärken und das akademische Ungleichgewicht zwischen dem Süden und dem Norden relativieren soll. „Für Hochschulen und Forschende wird die internationale Zusammenarbeit im Norden und Nordosten Brasiliens damit noch interessanter“, so Fourier.
„Wir sehen uns als Brücke und Wissensplattform zwischen den Hochschulsystemen.“
Katharina Fourier, Leiterin der DAAD-Außenstelle Rio de Janeiro und Direktorin des DWIH in São Paulo
Auf der internationalen Bühne bemüht sich der 2023 gewählte brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva darum, als Vorreiter einer verantwortungsvollen Umwelt- und Klimapolitik gesehen zu werden. Die schwierige wirtschaftliche Lage führt jedoch zu Zielkonflikten innerhalb der Regierung: Einerseits strebt Brasilien danach, international als führender Anbieter umweltfreundlicher Energie anerkannt zu werden. Andererseits gilt es, die soziale Ungerechtigkeit im Lande zu bekämpfen. Die heikle Abwägung klimapolitischer und sozialer Ziele führt zu einer zögerlichen Umsetzung der in der UN-Agenda 2030 festgelegten Nachhaltigkeitsziele, auch im sozioökonomischen Sektor. Die Sparmaßnahmen hätten die Hochschullandschaft 2024 hart getroffen, erklärt Katharina Fourier; der Bundeshaushalt für Hochschulbildung und Wissenschaft sank auf 3,1 Milliarden Euro. Vor zehn Jahren lagen die staatlichen Mittel noch doppelt so hoch.
Die Metropole São Paulo im Südosten Brasilien ist das wichtigste Wirtschafts-, Finanz- und Kulturzentrum des Landes. Auch auf wissenschaftlicher Ebene werden hier viele Projekte angestoßen. „Mit dem DWIH São Paulo sind wir an einem Standort mit einer starken Forschungskonzentration vertreten“, sagt Fourier. Die Universidade de São Paulo (USP) gilt als die größte, forschungsstärkste und international bekannteste brasilianische Universität. Auch die São Paulo Research Foundation (FAPESP), eine Art Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für den Bundesstaat São Paulo, ist hier angesiedelt.
Die Außenstelle des DAAD in Brasilien nutzt die weltweite Aufmerksamkeit, die die COP30 auf Themen rund um Klimaschutz und Nachhaltigkeit lenkt. Aktuell entwickelt das Team eine Vielzahl unterschiedlicher Formate beispielsweise zum Thema Desinformation in der Klimawissenschaft, zu Meeresmüll und Kreislaufwirtschaft, zur nachhaltigen Nutzung von Waldressourcen ebenso wie zu biobasierten Wertschöpfungsketten, die auch indigenes Wissen berücksichtigen.
Über das Land verteilt sind neun DAAD-Lektorate an zentralen Germanistikabteilungen verankert, ein weiteres Fachlektorat zum Thema Computer Sciences und Umwelt ist aktuell an der Bundesuniversität in Manaus ausgeschrieben. Zudem möchte die Außenstelle im Nordosten des Landes, in Fortaleza, ihre Tätigkeit verstärken, zunächst als Pilotprojekt. Das nördliche Brasilien ist mehrere Flugstunden von Rio entfernt, die Außenstelle soll in der Region künftig präsenter sein. „Je intensiver die persönlichen Kontakte sind, desto besser können wir Hochschulen und Forschende in Deutschland und Brasilien miteinander vernetzen“, sagt Katharina Fourier. „Wir sehen uns zunehmend als Brücke und Wissensplattform zwischen den Hochschulsystemen – mit tiefgreifender Beratungskompetenz zu akademischen Strukturen, Rahmenbedingungen und Kooperationschancen.“ —