Zum Nachdenken

Den Wald schützen – eine Gemeinschaftsaufgabe

Die Bedeutung des Waldes wurde lange verkannt – und wird nun immer evidenter. Wie lässt sich eine weltweite Entwaldung aufhalten? Das analysiert Ralph Mitlöhner, Professor für Tropischen Waldbau an der Georg-August-Universität Göttingen.

Ausgabe 1 | 2025

Die überwältigende Mehrheit der Deutschen sucht im Wald Erholung, treibt Sport oder genießt schlicht das stille Beobachten von Flora und Fauna. Das besondere Klima des Waldes begünstigt das. Extreme Temperaturen – ob im heißen Sommer oder im frostigen Winter – werden durch die dichte Vegetation abgemildert. Die Luft ist feuchter, die Winde sind schwächer. Regen prasselt nicht ungebremst auf den Boden, sondern trifft sanft auf ­eine mit Laub bedeckte Oberfläche, wodurch das Wasser langsam einsickern kann. Erosion durch Wind und Wasser bleibt aus.

Oft erkennt man den wahren Wert des Waldes jedoch erst, wenn er fehlt. Warum versiegen plötzlich die Quellen? Warum wird fruchtbarer Boden abgetragen? Weshalb fehlt es an Brenn- und Bauholz? Warum erscheint die sommerliche Hitze unerträglich?

Nach dem ausgehenden Mittelalter war der deutsche Wald nahezu verschwunden. Die zunehmenden Bedürfnisse des Alltags und der wachsende wirtschaftliche Druck raubten ihm seine Regenerationskraft. Weiträumige Rodungen zur Schaffung von Ackerflächen, intensiver Eintrieb von Rindern, Schweinen, Ziegen und Schafen in den Wald sowie die Nutzung von ­Bauholz, Feuerholz und Holzkohle trugen zum Niedergang bei. Der Bergbau – etwa im Erzgebirge, im Harz und in den Salzregionen Nordwestdeutschlands – war ohne stetigen ­Holznachschub nicht denkbar. Weitere Eingriffe wie die Streunutzung zur Düngung, Aschbrennerei für Seife und Glas sowie die Verwendung von Eichen­rinde zur Gerbung führten letztlich zur großflächigen Entwaldung.

Mit dem Wald verschwand auch der Oberboden: Er wurde weggeschwemmt oder verwehte. Was blieb, war oft bloßer Fels – unbrauchbar für Landwirtschaft und kaum wieder zu begrünen. Auch das Klima veränderte sich lokal spürbar. Ohne die kühlende Wirkung des Waldes waren Böden der ungeschützten Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Trockenheit, Hitze und periodischer Wassermangel wurden zur Belastung für Mensch und Natur. In der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hunderts kulminierten diese Entwicklungen in Hungersnöten und einer Welle der Auswanderung – besonders betroffen: Norddeutschland mit seinen ausgezehrten Sandböden und instabilen Binnendünen.

Dabei hatte man auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands schon ab etwa 1680 damit begonnen, den Wald aktiv zu schützen. Historische Nutzungsrechte wurden aufgehoben, erste Forstleute ausgebildet, Forstverwaltungen geschaffen. Wald- und Forstgesetze wurden erlassen, die Nutzung wurde reguliert, Ödländer wurden aufgeforstet. Der Weg war lang, der Erfolg nicht sofort sichtbar. Weitere Länder sollten erst viel später nachfolgen. Doch mit der Zeit setzte sich eine neue Haltung durch: Sensibilität für Waldthemen und tiefe Sorge um seinen drohenden Verlust prägten das öffentliche Bewusstsein.

Ein Aufschrei ging durch die Welt, als im Juli 1980 der Bericht „Global 2000“ dem damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter übergeben wurde. Das Werk zeichnete ein eindringliches Bild zur Entwicklung von Bevölkerung, Wasser, Klima und Wald im globalen Maßstab. Besonders die prognostizierte Vernichtung artenreicher tropischer Wälder wirkte wie ein Weckruf.

„Nur durch Bildung, Austausch und Zusammenarbeit kann nachhaltige Wiederbewaldung gelingen.“

Doch wie lässt sich eine weltweite Entwaldung tatsächlich aufhalten? Ist die heutige Situation nicht vergleichbar mit der historischen Not in Mitteleuropa? Können lokale Gemeinschaften ihre Wälder nutzen und gleichzeitig erhalten?

Keine Regierung kann es sich leisten, sämtliche Waldflächen unter absoluten Schutz zu stellen. Zudem wird oft übersehen: Jeder Quadratmeter Wald hat einen Eigentümer, oft mit verbrieften Nutzungsrechten. Die Herausforderungen sind global – und wurden auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 offen diskutiert. 178 Nationen kamen zusammen. Sie bekannten sich zur nachhaltigen Entwicklung, zur Verbindung von wirtschaftlichem Wachstum, sozialer Gerechtigkeit und Umweltbewahrung. Die Beteiligung aller – auch indigener Gruppen und des Privatsektors – wurde festgeschrieben.

Doch vielen der damals geschaffenen Programme fehlte es an konkreter Umsetzung. Wo soll Wiederbewaldung stattfinden? Welche ­Flächen sind verfügbar und geeignet? Welche Verfahren stehen zur Verfügung? Gibt es ge­nügend Fachleute?

Ein Hoffnungsschimmer war die globale Initiative „Bonn Challenge“, die 2011 ins Leben gerufen wurde. Mit Unterstützung der International Union for Conservation of Nature (IUCN), der Global Partnership on Forest and Landscape Restoration und der Bundesregierung setzte man sich erstmals messbare Ziele: Bis 2020 sollten weltweit 150 Millionen Hektar entwaldeter und degradierter Flächen wiederhergestellt werden, bis 2030 sogar 350 Millionen Hektar. Ziel war nicht nur Klimaschutz, sondern auch die Stärkung der Biodiversität und die Schaffung von Einkommensmöglichkeiten für die lokale Be­völkerung. Bis Ende 2024 wurden von über 70 Ländern Zusagen über 210 Millionen Hektar gemacht.

Im Jahr 2025 stellt sich nun die Frage: ­Wurden diese Ziele erreicht – oder sind sie überhaupt erreichbar? Das „Bonn Challenge Baro­meter“ des IUCN zeigt den aktuellen Stand: Trotz großer Zusagen mangelt es vielerorts an lokaler Umsetzung. Warum?

Ein zentraler Grund liegt im fehlenden ­Fokus auf die jeweiligen lokalen Gegebenheiten. Unterschiedliche Klimata, veränderte Vegeta­tion, unsichere Eigentumsverhältnisse – all das erschwert Planung und Finanzierung. Öffent­liche und private Mittel fließen oft zögerlich. Es fehlt an Modellen, die Investitionen in Wieder­bewaldung attraktiver machen.

Die Antwort auf die Frage, wie sich diese fachlichen und finanziellen Hürden überwinden lassen, liegt – wie so oft – im Wissen und im Vertrauen. Nur durch Bildung, Austausch und Zusammenarbeit kann nachhaltige Wiederbewaldung gelingen. Die Ausbildung von Fachkräften, der internationale Austausch von Studierenden sowie Dozentinnen und Dozenten, der Wissenstransfer zu Hochschulen und Fachverwaltungen, internationale Fachkonferenzen und das Einbeziehen von ehemaligen und meist fachlich und international sehr gut vernetzten Geförderten des DAAD sind essenziell – als langfristige, generationenübergreifende Säulen einer zielgerichteten internationalen Kooperation.

Expertinnen und Experten aus dem globalen Waldsektor, darunter auch DAAD-Alumnae und -Alumni, sind sich einig, dass eine Umsetzung der Wiederbewaldung nur erfolgreich sein kann, wenn bestimmte Maßgaben erfüllt sind. Dazu gehört beispielsweise, dass die zugesagten Flächen über rechtlich gesicherte, unbestrittene Eigentumsverhältnisse verfügen und dass standortspezifische Managementpläne erstellt werden, die alle Interessengruppen einbeziehen und auf lokaler wie internationaler Ebene bewertet werden können. Interdisziplinäres Monitoring ist notwendig, um Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und Planungen entsprechend anzupassen. Außerdem sind ein transparentes System der Mittelvergabe und -weitergabe an die Beteiligten sowie die Sicherheit, dass Fördermittel verlässlich bei den lokalen Umsetzern ankommen, unverzichtbar. Und letztlich ist auch die Wahl der Baumarten bei Neupflanzungen mitentscheidend für den Erfolg: Die Bäume – insbesondere auch die einheimischen Arten – müssen zum Standort passen und mit Weitsicht gewählt werden. Sie sollen nicht nur gut anwachsen, sondern zumindest die nächsten Dekaden überdauern. Denn ein naturnahes Waldökosystem besteht aus mehr als nur Bäumen – es muss als Lebensraum funktionieren für vielfältige Organismen, Pflanzen und Tiere und letztlich auch für den Menschen. —

Prof. Dr. Ralph Mitlöhner hat an der Georg-August-Universität Göttingen den Lehrstuhl für Tropischen Waldbau inne und forscht zu komplexen Naturwaldsystemen in Südamerika, Afrika, Asien und Ozeanien. Im Mittelpunkt steht die differenzierte Reaktion von Baumarten auf Standortfaktoren in Trocken- oder Feuchtregionen. Seine Konzepte finden Anwendung etwa im Management von Pufferzonen in Schutzgebieten, in der Rekultivierung ehemaliger Bergbauflächen oder in großflächigen Wiederbewaldungsprogrammen. Der DAAD-Alumnus hat in mehreren DAAD-Auswahlkommissionen mitgearbeitet sowie verschiedene Partnerschaften koordiniert.