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„Der Baum vor meiner Tür“

Protagonistinnen und Protagonisten dieser Ausgabe verraten hier, welche Bäume für sie eine besondere Bedeutung haben.

Ausgabe 1 | 2025

„Im Garten meines Hauses auf dem ­Gelände einer ehemaligen sowjetischen Kaserne in Eberswalde wachsen ältere Buchen, in deren Rinde Soldaten vor Jahrzehnten ihre Botschaften und Zeichen ritzten. Sie erinnern mich täglich an den schmalen Grat zwischen Krieg und Frieden, die Dynamik der Geschichte und die Tatsache, dass die Natur uns alle überleben wird.“

Prof. Dr. Pierre Ibisch

„Wo ich jetzt lebe, gibt es keinen Baum vor der Tür, aber ich werde nie den Sibipiruna-Baum vergessen, der vor dem Haus meiner Großmutter stand: ein sehr großer Baum mit kleinen ­Blättern und gelben Blüten. Er erinnert mich immer an meine Verbindung zur Natur.“

Carolle Alarcon

„Ich habe einen Lieblingsbaum in Berlin. Er steht in einem Park in der Nähe meiner Wohnung. Es ist eine große, ausladende Buche, die perfekt zum Draufklettern ist.“

Yve Mehlan

„Das Bewundern der Kirschbäume und ihrer Blüten im Frühling bei der ­Blumenschau, dem Hanami, hat in Japan eine lange Tradition und steht für die kulturelle Landschaft und das philosophisch-ästhetische Verständnis seines Volkes. Auch Menschen aus aller Welt kommen zu dieser Jahreszeit nach Japan, um die Bäume zu betrachten. In unserer schnellen heutigen Welt, aber auch wenn man es spirituell und aus buddhistischer Perspektive betrachtet, ist alles, besonders alles, was uns Freude bereitet und von Schönheit zeugt, kurzlebig und vergänglich und gerade deshalb so unverzichtbar und wertvoll.“

Josko Kozic

„Ich sehe auf einer unserer Forschungsflächen in Berchtesgaden regelmäßig eine Zirbe (Pinus cembra), auch Zirbelkiefer oder Arve genannt. Die Zirbe ist nicht nur mein Lieblingsbaum, sondern auch eine richtige Überlebenskünstlerin. Genau dieser Baum ist schon ganz schön in Mitleidenschaft gezogen. Ein Teil brach, wahrscheinlich durch Schneelast, ab. Der Baum lebt aber trotz aller Widrigkeiten weiter und verströmt durch den abgebrochenen Teil einen wunderbaren Geruch. Ich freue mich immer wieder, an genau diese Stelle zu kommen. Und etwa zweimal im Jahr, wenn ich einen Temperatursensor ablese, habe ich dazu Gelegenheit.“

Prof. Dr. Cornelius Senf

„In meiner Wohnung in Berlin-Wedding schauen die Fenster zum Hof auf einen Ahornbaum. Er steht zwischen alten Autos und Gestrüpp an der Grundstücksgrenze. Trotz seiner unschönen Lage ist der Baum ein Treffpunkt für viele Lebewesen: Im Sand über seinen Wurzeln baden an sonnigen Tagen die Spatzen, am Stamm wetzt eine streunende Katze ihre Krallen, in den tieferen Zweigen schmusen Tauben und auf den höchsten Ästen kommen die Nebelkrähen zur Ruh.“

Dr. Simon Probst

„Ich habe einen Lieblingsbaum: ­Während meiner Kindheit in Kalifor­nien spielte ich unter ihm, schlief unter ihm – und lauschte endlos dem Wind in seinen Ästen. Mit einem Alter von etwa 170 Jahren überragte diese wunderschöne Zuckerkiefer alle anderen Bäume. Ich war mir sicher, dass sie mit ihrer unverrückbaren Präsenz mich und meine Kinder überleben würde. Doch ich musste ihr Lebewohl sagen. Ich empfinde Trauer, Demut und eine gewisse Dringlichkeit. Ich frage mich: Wie viel Zeit wird uns noch bleiben?“

Lindon Pronto

„Ich bin ehrenamtlich beim Bergwaldprojekt e.V. tätig, einer Organisation, die sich dem Erhalt, der Pflege und der Renaturierung unserer Wälder verschrieben hat. Im Oktober 2024 habe ich im Rahmen des Bergwaldprojekts eine Woche im Nationalpark Sächsische Schweiz mitgearbeitet. Besonders spannend fand ich das Pflanzen der Weißtanne, die als „Zukunftsbaum“ gilt. Wussten Sie, dass die Weißtanne im Vergleich zu anderen Baumarten ausgesprochen klimaresilient ist und deshalb ihr Comeback in den deutschen Wäldern feiert? Sie ist tiefwurzelnd, kommt mit Trockenheit besser zurecht und wird auch gut im Schatten anderer Bäume groß. Sie ist also nicht nur ein ökologischer Gewinn, sondern auch eine Hoffnungsträgerin für unsere Wälder!“

Anke Stahl, Bereichsleiterin im DAAD für Grundsatzfragen Projekte, Internationalisierung und Forschung, Hochschulverbände